Auf Bartnings Spuren

Am Sonntag, den 18. Februar haben wir in einer Kooperation der Musischen Gesellschaft mit dem Freundeskreis der Burg Fürsteneck die Otto-Bartning-Ausstellung auf der Mathildenhöhe in Darmstadt besucht. Von beiden Vereinen waren je ungefähr 15 Teilnehmende da und dazu ein paar Besucher mit Doppelmitgliedschaft, insgesamt 34 Menschen. Als Hanns und Birgit im letzten Herbst mit der Idee auf mich zu kamen, hatten wir mit deutlich weniger Zuspruch gerechnet. Jetzt mussten wir die Gruppe sogar in zwei parallele Führungen aufteilen und wegen des intensiven Interesses die Führungszeit verlängern.


Am Sonntag, den 18. Februar haben wir in einer Kooperation der Musischen Gesellschaft mit dem Freundeskreis der Burg Fürsteneck die Otto-Bartning-Ausstellung auf der Mathildenhöhe in Darmstadt besucht. Von beiden Vereinen waren je ungefähr 15 Teilnehmende da und dazu ein paar Besucher mit Doppelmitgliedschaft, insgesamt 34 Menschen. Als Hanns und Birgit im letzten Herbst mit der Idee auf mich zu kamen, hatten wir mit deutlich weniger Zuspruch gerechnet. Jetzt mussten wir die Gruppe sogar in zwei parallele Führungen aufteilen und wegen des intensiven Interesses die Führungszeit verlängern.

Der Architekt Otto Bartning hat 1952/53 die Burg Fürsteneck umgebaut und aus der heruntergekommenen Staatsdomäne räumlich die Bildungseinrichtung geformt, der wir uns verbunden fühlen. Er hat damit zugleich auch inhaltlich die Bildungsarbeit auf der Burg mitgeprägt – bis heute. Denn dass Räume beeinflussen, was in ihnen geschieht, ist für einfühlsame Architekten ganz klar und eine Verpflichtung. Und bei den Umbaumaßnahmen ab 2003 hatten wir Verantwortlichen auf der Burg die Grundüberlegungen Bartnings immer im Blick.

Otto Bartning (1883-1953) war im 20. Jahrhundert im Übergang zur Moderne einer der prägenden Architekten Deutschlands. Gleichzeitig war er auch als Autor aktiv und an Pädagogik interessiert. Berühmt ist er bis heute vor allem für seine evangelischen Kirchenbauten und speziell für seine „Notkirchen“, modulare vorgefertigte Bautypen, die den Gemeinden nach dem Krieg preisgünstig die Errichtung von Sakralräumen ermöglichten. Bartning hat dabei immer auch um die spirituelle Dimension des Raumes gerungen. Seine profanen Bauten zeugen von sozialem Engagement. Bartning war einer der Ideengeber für das Bauhaus und nach dessen Umzug nach Dessau von 1926–1930 Direktor der neu gegründeten Bauhochschule in Weimar.

1928/29 hat Bartning das Musikheim in Frankfurt an der Oder gebaut. Das Musikheim ist mindestens für den musischen Teil der Bildungsarbeit auf Burg Fürsteneck als Vorgänger-Institution anzusehen, und viele der vor dem Krieg in Frankfurt/Oder Verantwortlichen waren (als Mitglieder der Musischen Gesellschaft) mit und ohne offizielle Funktion in den Anfangsjahren Fürstenecks engagiert. Heute zeugt noch das Georg-Götsch-Zimmer davon, und Erich Bitterhof war seit der Gründung des Trägervereins dessen Schriftführer.

Georg Götsch hat das Musikheim initiiert und wurde dann auch dessen Leiter. Bartning lernte Götsch bei einer Aufführung mit Chor und Tänzen kennen. Wir erinnern uns, dass die Aufzüge und Kontratänze, die wir dem Erbe von Götsch verdanken, ihrem Wesen nach räumlich sind, getanzte Wege und Ornamente im Raum. Das hat den Architekten begeistert. Die Jugendmusikbewegung war eine Reformbewegung, die der modernen Erneuerung auf der Seite der Baukunst entsprach. Nicht zuletzt dürfte Bartning die Ausstrahlung Georg Götschs als Pädagoge beindruckt haben. Es entstand eine lebenslange Freundschaft.

Das Musikheim sollte als Schwerpunkt Volksschullehrer in achtwöchigen Kursen im Sinne der Jugendmusikbewegung zu Musiklehrern weiterbilden, wobei Götsch die Einbeziehung des Tanzes immer besonderes Anliegen war. Bartning schuf eine S-förmige Anordnung der Baukörper mit zwei Zentren, der großen Halle und einem runden Turmbau, der unten den Speisesaal und oben einen Kursraum mit spektakulärem offenen Dachstuhl und außen umlaufender Sitzbank beherbergte. Die Flure waren zum tänzerischen Durchschreiten geeignet; an der Halle führten sie im Obergeschoss außen vorbei. Mich erinnert das an die begehbare Kuppel des Reichstages.

Es gibt interessante Übereinstimmungen mit dem Entwurf für Burg Fürsteneck. In der Halle des Musikheims war auf einer Seite eine Bühne mit zwei Stufen und Aufgängen zu einer Empore an beiden

Seiten. Gegenüber war eine Zuschauertribüne, die ebenfalls in einer Empore mündete. Es gibt Bilder, wie von dort auf beiden Treppen der Aufzug hinab in die Halle geführt wird. Die ebene Fläche der Halle zwischen ihren beiden ansteigenden Flanken ist 12 mal 12 Meter, weil dieser quadratische Grundriss für die Kontratänze ideal ist. Auch die Höhe des Raumes misst 12 Meter. Die Bühne mit den zwei Stufen wurde in Fürsteneck fast genau übernommen, die Empore ist hier umlaufend, anstatt gegenüberliegend wie in Frankfurt, und der tiefer liegende Hintereingang der Fürstenecker Halle entspricht als zusätzliche Ebene den erhöhten Sitzstufen in Frankfurt.

Die Einrichtung konnte Bartning in Frankfurt bis ins Detail beeinflussen, weil sie in den Werkstätten „seiner“ Bauhochschule in Weimar hergestellt wurden. Ähnlichkeiten zu der alten Zimmereinrichtung auf der Burg sind unübersehbar. Am meisten verblüffte mich die Entdeckung, dass Bartning in das sichtbare Backsteinmauerwerk in Frankfurt unter den schrägen Satteldächern Stufengiebel mauern ließ, für die es keine technische Notwendigkeit gab. Das wirkt fast wie ein unbewusster Vorgriff auf die Stufengiebel des Herrenhauses in Fürsteneck.

Bei allen Ähnlichkeiten gibt es einen wichtigen Unterschied: Die Gebäude in Frankfurt/Oder öffnen sich weit in die Obstwiese auf der einen und zum Teich auf der anderen Seite. Fürsteneck als mittelalterliche Burganlage wird beherrscht von der trutzigen Geborgenheit der dicken und geschlossenen Mauern.

Als der Umbau der Burg anstand, war Bartning bekannter Architekt, Präsident des Bundes Deutscher Architekten, einer der Gesprächsleiter der bis heute berühmten Darmstädter Gespräche, und gerade mit dem Wiederaufbau Helgolands beauftragt. Nur aus Freundschaft zu Georg Götsch ließ er sich überreden, trotz der vielfältigen Belastungen zu einem Beratungsgespräch nach Fürsteneck zu kommen – und verliebte sich in die Burg. Die Geschichte erzählt, dass er sich der Burg in einer Spirale genähert habe, beginnend mit dem weiten Blick von den umliegenden Hügeln, und dass er zum Schluss auf dem Burghof gestanden und gesagt habe: „Ich baue“. Ein Glücksfall für die Burg und für uns!

Burg Fürsteneck selbst wurde in der Ausstellung nicht thematisiert, das Musikheim in Frankfurt an der Oder aber schon. So mussten und konnten wir die Verbindung selber herstellen; wir kennen die Burg ja. Die Ausstellung fußt auf dem Nachlass von Bartning, der in der Architekturfakultät der TU-Darmstadt liegt. Dort ist über Fürsteneck wohl kaum etwas enthalten. In den späten 1990er Jahren waren aber mehrfach Studentengruppen der TU-Darmstadt auf der Burg, um die Burg sorgfältig zu vermessen. Auf dieser und weiteren Grundlagen ist jetzt ein junger Architekturhistoriker in Darmstadt beauftragt, den Umbau der Burg durch Otto Bartning zu bearbeiten und darüber zu veröffentlichen. Darauf freuen wir uns.

Mit unserer Besichtigungsgruppe sind wir anschließend zu einem späten Mittagessen in ein fußläufig erreichbares Restaurant mit ausgezeichneten persischen Gerichten gegangen. Wir alle haben gerade so in einen Nebenraum Platz gefunden und uns noch lange und intensiv ausgetauscht. Der Ausstellungsbesuch sollte ja auch Anlass sein, Freunde zu treffen.

Dies war, soweit ich weiß, die erste gemeinsame Aktion des Fürstenecker Freundeskreises und der Musischen Gesellschaft. Ich glaube, das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft und ein Auftakt für weitere gemeinsame Unternehmungen. Einen besonderen Dank verdient Julia Zaenker, die die gesamte Organisation vor Ort umsichtig übernommen hat.



Karsten Evers

Karsten Evers hat als Sprecher des Fürstenecker Freundeskreises die Veranstaltung mitorganisiert. Er kennt die Burg als langjähriger pädagogischer Mitarbeiter und hat auch durch seinen Erstberuf als Architekt eine ganz eigene Beziehung zum Thema.